Canons RAW, mRAW und sRAW Format
Einige Kameramodelle von Canon bieten dem Fotografen die Möglichkeit ihre Bilder mit unterschiedlichen RAW-Größen aufzunehmen. Sie werden im Menü mit RAW, mRAW und sRAW betitelt und sollen angeblich kleinere Dateigrößen durch eine geringere Auflösung bieten, alle Vorteile eines RAW Fotos jedoch behalten.
Da ich die 20 Megapixel meiner Kamera eigentlich nie brauche, meine Bilder nicht großformatig ausdrucke und meist nur auf Bildschirmen mit einer Auflösung bis maximal 2560×1440 darstelle, ist doch die Überlegung legitim, eines der kleineren Formate zu verwenden.
Anhand der nackten Fakten ist mRAW für mich am interessantesten. Während das RAW Format an Canons 6D bspw. mit 5472×3648 (20 Megapixel) auflöst, liegt mRAW bei 4104 x2736 (11 Megapixel) und sRAW bei lediglich 2736×1824(5 Megapixel). mRAW bietet das beste Verhältnis zwischen Dateigröße und Auflösung, falls man doch mal auf einen Teil des Bildes zoomen möchte. Aber wie erreicht Canon diese Skalierung? Da ranken im Internet ja Sagen und Mythen. Wird eine kleine Sensorfläche verwendet? Werden Pixel zusammengefasst? Wird softwareseitig interpoliert? Nachdem ich mich ein wenig in das sehr detaillierte (und garantiert von Canon nicht gern gesehene) Dokument „Inside the Canon RAW format“ einlas und auch selbst ein wenig testete, kann ich einige der Möglichkeiten jetzt bewerten.
Kleinere Sensorfläche
Bei mRAW und sRAW wird definitiv keine kleinere Sensorfläche verwendet. Warum? Weil eine kleinere Sensorfläche automatisch einen veränderten Crop-Faktor zur Folge hätte, der wiederum in einer veränderten Schärfentiefe resultiert. Mit einem kleinen Test ließ sich das belegen. Ich schoss drei Fotos (je einmal RAW,mRAW und sRAW von einem Lineal in flachem Winkel und wählte die kleinste Blende (f/1,4) meines Objektivs. Anschließend schnitt ich bei allen drei Bildern den gleichen Ausschnitt aus und glich ihre Größe zur besseren Vergleichbarkeit an. Wie man deutlich erkennen kann, ist die Schärfentiefe bei allen drei Bildern exakt gleich geblieben. Daraus folgt: Es wird kein kleinerer Bildsensorausschnitt verwendet, bei allen drei „RAW-Formaten“ wird die volle Sensorfläche verwendet.
Pixel Binning
Diese Option klang für mich am Sinnvollsten. Würden mehrere physikalische Pixel zu einem größeren logischen Superpixel zusammengefasst werden (Binning), dann könnten z.B. bei höheren ISO Werten Fehlinformationen durch die Durchschnittsbildung der Werte aller zusammengefasster Pixel deutlich reduziert werden oder die Detailzeichnung trotz geringerer Auflösung profitieren (vergl. hier). Weniger Pixel, gleichbleibende Qualität und höherer Rauschabstand? Klingt doch super. Doch die selbst ernannten Experten im Internet sind sich nicht sicher, ob Canon auch tatsächlich solch eine Technologie einsetzt. Einerseits ist die Binning-Technologie durch mehrere Patente geschützt (z.B. hier, hier und hier), andererseits müsste die Technologie bei Anwendung sowohl deutlich schärfere Bilder, als auch einen Moiré Effekte erzeugen (Auch da ist man sich uneinig, einige berichten von positiven, andere von negativen Ergebnissen). Beides konnte ich in meinem Test hier nicht erkennen. Ich fotografierte die feinen Strukturen eines Geldscheins je einmal in RAW, mRAW und sRAW und passte die Auflösung der Bilder dann in Photoshop an (herunterskalieren auf sRAW Größe). Wenn ein Pixel Binning verwendet worden wäre, so hätte ich eine vergleichbare Bildqualität zwischen dem von mir softwareseitig skalierten Bildern und der original mRAW/sRAW Auflösung erwartet, RAW ist aber sichtbar schärfer…und diesmal habe ich meine Testaufnahmen definitiv nicht verwackelt.
Außerdem lohnt sich ein Blick auf das Rauschverhalten der Kamera bei sehr hohen ISO Werten (25.600). Eine Bildverarbeitungsprozessor, der den Durchschnittswert von n*n Sensorpixeln in Chroma und Luminanz auswerten kann, sollte in der Lage sein ein deutlich geringeres Rauschverhalten an den Tag zu legen. Zum Beweis fotografierte ich ohne Kamera-interne Rauschunterdrückung und entwickelte die Bilder in Photoshop – ebenfalls ohne Rauschunterdrückung. Anschließend passte ich auch wieder die Größe an. Was man deutlich erkennen kann ist, dass das Farbrauschen im RAW Bild deutlich körniger ist, als bei mRAW und sRAW. Diese scheinen regelrecht weich gezeichnet worden zu sein. Diese Weichzeichnung kommt nicht durch die kleinere Auflösung zu Stande, sondern kann nur das Ergebnis einer Bildverarbeitung sein. Ich tippe allerdings auf einen Antialiasing-Algorithmus anstatt einer echte Rauschunterdrückung, da das Ergebnis im Vergleich zur Kamera-eigenen Rauschunterdrückung leidlich schlecht und generell unschärfer ausfällt.
Aus diesen Beobachtungen folgt: Canon verwendet kein „einfaches“ statistisches Pixel Binning.
Proprietäre Softwarelösung
Natürlich könnte Canon auch einfach eine proprietäre Lösung verwenden, die eine Kombination aus Pixel Binning und Interpolation oder gar nichts dergleichen verwendet, um sowohl Moiré Effekte durch Pixel Binning zu vermeiden, als auch das Rauschen zu minimieren. Hierfür spricht neben den oben genannten Bedenken weiterhin die Tatsache, dass die EOS 6D im mRAW/sRAW Betrieb eine deutlich geringere Serienbildgeschwindigkeit als im RAW Modus aufweist. Hier muss der Digic 5+ Prozessor also schwer arbeiten, um irgendwelche Posteffekte auf das Bild anzuwenden, bevor sie auf der Speicherkarte eingebrannt werden.
Fazit
In meiner Entscheidungsfindung hilft mir die Tatsache, dass ich nicht herausbekomme wie die Auflösungsreduzierung arbeitet, leider gar nicht. Somit bleibt mir nur zu beobachten, wie oft ich ein Bild tatsächlich so beschneide, dass mir ein Plus von 10Megapixel einen Vorteil bringen würde. Außerdem ist Speicherplatz heutzutage ja bekanntlich billig und in einem späteren Leben könnten Lightroom und Co. mir plötzlich Features offerieren (ich deute da nur mal das neue Camera Shake Reduction von Photoshop CC an), die mir ein erneutes Bearbeiten meiner Photos schmackhaft machen könnten. Somit bleibe ich wohl beim vollständigen RAW Format, auch wenn mich mRAW echt reizt.