Im September 2013 kaufte ich mir ein Fitbit One Gadget. Die Idee meine Bewegungen zu registrieren, um sie anschließend zu analysieren und mehr über mich zu erfahren, hat mich schon während des Studiums gereizt. Man nennt das „Quantified Self“ und richtig angewendet lernt man tatsächlich einiges. In der aktuellen modischen Ausprägung tragen wir Sport-Brustgurte die unseren Puls messen, senden unsere aktuellen Positionen und Geschwindigkeiten an Dienste, um Stauberechnungen zu optimieren oder tragen eben kleine Sensoren mit uns oder in unseren Smartphones, die mit Lagesensoren bestückt sind, um die Anzahl unserer zurückgelegten Schritte, Stockwerke o.ä. zu bestimmen.
Sich (gegenseitig) messen macht Spaß
Jede Art von Sensor kitzelt mein „Haben-will“ Zentrum im Hirn. Ich finde es toll ablesen zu können, dass ich diese Woche schneller und mehr gelaufen bin als die Woche zuvor. Das motiviert mich zu mehr Bewegung im Alltag, der bei mir zu 80% aus Sitzen an einem Schreibtisch besteht. Spielerisch kämpfe ich so gegen mich selbst. Zeigt mein Tacho am Fahrrad mir zum Beispiel meine Durchschnittsgeschwindigkeit an, dann bemühe ich mich darum stets ein Quentchen schneller zu fahren als diese. Habe ich den Kilometer im Wald in 5:45 Minuten absolviert, will ich es beim nächsten mal in 5:30 Minuten schaffen usw. Viele Dienste motivieren ihre Nutzer außerdem mit Achievements (die schnellsten 5km, das erste mal eine Stunde gelaufen usw.) und bieten Community interne Wettbewerbe an. Wer hat diesen Streckenabschnitt deiner Joggingrunde am schnellsten absolviert? Hat dein Kollege letzte Woche mehr Kalorien verbrannt? Welcher deiner Freunde ist auf der Strecke von der Erde bis zum Mond schon am weitesten fortgeschritten? Das macht Spaß und soll den inneren Schweinehund etwas länger im Zaum halten. Das hatte zumindest bei mir Erfolg.
Doch dann kam die Monetarisierung
Doch dann kam die Monetarisierung. Beinahe jeder Hersteller bietet mir heutzutage einen Premiumdienst an, der mir noch feinere Auswertungen, goldene Abzeichen oder farbige Usernamen bietet – Zusätzlich zu den 100€ oder mehr die ich für das Gerät berappen musste, versteht sich. So wirklich optional sind diese Dienste jedoch auch nicht. Irgendwann im Laufe des Jahres 2014 erschien das Fitbit-App Update, welches nun einen Account voraussetzt, ansonsten bleibt die App stumm. Nike+ verhält sich ähnlich und Moves arbeitet nur wenn ich mich mit meinen Facebook Daten anmelde. Runtastic kann man zwar auch ohne Account betreiben, dann nervt die App jedoch ständig mit Hinweisen, dass sie doch noch so viel besser wäre, wenn ich sie mit meinen persönlichen Daten befruchten würde. Apropos…
Die Inventarisierung meiner Daten – Big Data
Da frage ich mich doch wirklich wozu die Runtastic, Suuntu, Jawbone, Nike, Samsung und Co zwingend mein soziales Netz kennen müssen? Vielleicht möchte ich ja meine „Erfolge“ gar nicht mit der Welt teilen und wenn ich meine Facebook Timeline so ansehe, dann bin ich der Meinung dass auch viele meiner Freunde mal ernsthaft darüber nachdenken sollten. „X nimmt jeden Dienstag zwischen 19:00 und 21:00 an einer Runtastischen Tischtennis Aktivität teil“, während seine schicke Junggesellenwohnung völlig unbewacht ist. „Y hat die 5,3km Hausrunde in peinlichen 1h20m absolviert“ und ist jetzt noch langsamer als vor 3 Monaten als großspurig der Marathonversuch angekündigt wurde. „Z möchte dass du ihr Motivation schickst“ während sie im Fitnessstudio eh wieder nur Selfies schießt anstatt sich den Weihnachtsspeck abzutrainieren.
Nein, manche Erfolge sind nicht für die Welt bestimmt, sie sollten besser privat bleiben. Ich möchte beispielsweise meine mäßigen Lauferfolge schon gern ausgewertet wissen, aber diese Ergebnisse gehen sonst niemanden etwas an. Schon gar nicht Firmen , meine Krankenkasse oder Versicherung. „Herr K.E. hat sich am Wochenende wieder 5x per Fallschirm aus einem Flugzeug gestürzt, dabei einen Puls um die 180 gehabt und knapp 800 Kalorien verbrannt“ – vielleicht sollte man ihm seine Lebensversicherung auf Grund lebensgefährlicher Sportarten kündigen. Das Handy meldet indes verdächtig hohe Cholesterinewerte. Wenn ich nicht im nächsten halben Jahr 5kg abspecke und dreimal wöchentlich Sport treibe, dann erhöht meine Krankenkasse meine Beiträge um einen Risikozuschlag – das müsse ich doch verstehen, oder?
Diese Szenarien sind alles andere als überspitzt und weit hergeholt. Es handelt sich dabei um ernsthafte Überlegungen der Versicherer, die sich nur zu gerne an meinen Daten zu schaffen machen würden. Und ich mache es Ihnen ja leicht, da ich alles automatisch in der Cloud inventarisieren lasse, schön zusammen mit meinen personenbezogenen Daten, Zeiten, GPS Positionen und Gesundheitsdaten, die mein Tracker oder Handy sonst noch so sammeln, um mir einen Mehrwert zu bieten. „Ich habe ja nix zu verbergen“ höre ich einige Ewiggestrige monoton herunterleiern. Schön dumm.
Wozu braucht mein Aktivitätstracker eigentlich Clouddienste?
Wozu braucht mein Aktivitätstracker eigentlich zwingend diese Clouddienste? Hat er zu wenig Speicher, um das alles zu speichern? Pfft, macht euch nicht lächerlich, habt ihr schon mal eine 128GB MiniSD Card gesehen? Die ist kleiner als mein Fingernagel… Oder haben sie zu wenig Rechenkraft um die Daten auszuwerten? Das ich nicht lache, mein Handy rechnet schneller der PC, den ich vor knapp 5 Jahren ausrangiert habe. Seien wir ehrlich, ihr alle wollt meine Daten nur bei euch haben, damit
- ich in eurem Ökosystem gefangen bin. Denn wenn ich zu einem anderen Anbieter wechseln würde, dann wären ja meine ganzen Erfolge der letzten Jahre weg.
- ich eure Premiumdienste nutze.
- Ihr meine Daten an Dritte verscherbeln könnt.
2013,2014 oder 2015?
Einige Monate nutzte ich meinen Fitbit One regelmäßig und es hat Spaß gemacht. Irgendwann begann ich Ihn zu Hause zu vergessen. Dann fand ich Moves und war von der App so schwer begeistert, dass ich umschwenkte. Mein Handy würde ich schließlich nicht vergessen. Es ist als Aktivitätstracker für mich besser geeignet. Die ständige Frage nach dem Datenschutz jedoch schwirrte stets in meinem Kopf herum, nicht erst seitdem Moves von Facebook aufgekauft wurde.
Heute fristen Aktivitätstracker bei mir ein trauriges, unvernetztes Offline-Dasein. Ich nutze lediglich Runtastic, um meine Läufe zu speichern und nehme es in Kauf, dass mich die App bis aufs Blut mir ihren Versuchen nervt irgendwas zu teilen, anzumelden oder hochzuladen. Soll sie doch, die Firewall auf meinem Handy verbietet ihr jegliche Kommunikation, so bleiben meine Daten wenigstens bei mir!
Nein, weder 2013, noch 2014 waren und auch 2015 wird nicht das Jahr der Aktivitätstracker, solange alle Hersteller auf dem Markt nicht den User sondern nur ihren Profit im Kopf haben. Lasst mich entscheiden, ob ich meine Daten allein auf meinem Gerät auswerten lassen will oder ob ich an der Community teilhaben möchte.